Im letzten Beitrag ging es um den Start unserer Radtour nach Spanien. Die Reise kommt entspannt ins Rollen und trotz eines zwischenzeitlichen Durchhängers konnten wir uns zum weiterfahren aufraffen. Mir ist aufgefallen, dass wir während der Reise nur ein wirkliches Tief hatten, das die Laune sehr gedrückt hat. Das war bereits nach 5 Tagen in Schaffhausen, als wir das erste Mal auf der Reise in einem Hotel übernachtet haben.
Um dieses Tief zu überwinden, habe ich vor allem versucht, meine Gedanken in eine positive Richtung zu lenken. Weniger „Was ist, wenn meine Knie schlapp machen?“ und mehr „wie fühlt es sich an, zwischen Orangenbäumen zu stehen?“. Außerdem hat es auch enorm geholfen zu wissen, dass man jeder Zeit umkehren könnte, wenn man sich dafür entscheiden würde. Einfach in den nächsten Zug oder Flieger und schon ist man wieder sicher und im gewohnten Umfeld. Allein zu wissen, dass man bewusst das Abenteuer gewählt hat und dass es nur der eigene Wille ist, der einem das vermiesen könnte, war schon Ansporn genug.
Ich finde es wichtig, sich selbst und die eigenen Entscheidungen ab und an zu hinterfragen. Somit kann man sich selber darin bestärken, dass man die für sich richtige Entscheidung getroffen hat. Oder man wird dadurch auch zum Nachdenken angeregt. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf ist es mir auch leichter gefallen, mich mehr auf die positiven Momente zu konzentrieren. Irgendwie geht’s ja doch weiter.
Das Ende der Schweiz
Wir verlassen Genf recht früh, damit wir umso eher in Frankreich einkaufen können. Hier genießen wir zunächst die Vielfalt an bezahlbaren Produkten und danach geht es weiter Richtung Cerdon. Das Städtchen kann man schon von weitem sehen, da es in einem saftig-grünen Tal liegt. Da ist er schon, einer dieser Momente. Man biegt nichts ahnend um eine scharfe Kurve und plötzlich breitet sich vor einem eine wundervolle Landschaft aus. Da lohnt es sich, unterwegs zu sein.
Wir brausen die Straße hinab bis zum nächsten Campingplatz. Der Besitzer ist sehr freundlich und empfiehlt uns gleich im Nachbarort vorbei zu schauen, um den dort angebauten Wein zu probieren. Das Dorf ist zwar nicht weit entfernt, aber nach einem vollen Tag auf dem Rad macht man dann auch keine Abstecher mehr. Diese Art zu Reisen bringt zwar viel Freiheit mit sich, gleichzeitig ist man jedoch nicht absolut flexibel. Für spontane Abstecher ist eher wenig Spielraum.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Lyon. Auf dem Weg liegt das kleine Städtchen Perouges. Mit einer komplett erhaltenen, mittelalterlichen Innenstadt fühlt man sich sofort wie im Märchen. Die alten Häuser wirken gut erhalten und obwohl man sich wie in einem Museums-Dorf fühlt, herrscht in den Lokalen ein reges Treiben. Ich ergattere auch ein Stück einer Perouges-Galette. Das ist ein traditionelles Hefe-Gebäck, das optisch an ein Fladenbrot erinnert und mit Zuckersträuseln bestreut ist.
Kutteln in Lyon
Nach diesem kleinen Ausflug geht es wieder ab auf die Räder und kurz darauf erreichen wir Lyon. Das Hotel hier haben wir zwei Tage im Voraus gebucht. Der Hotelier staunt nicht schlecht, als er erfährt, dass wir die ganze Strecke von München aus mit den Rädern gefahren sind. Ab und zu fällt man schon auf als Reiseradler.
In Lyon findet man eine mittelalterliche Altstadt mit engen Gassen und kleinen Häuschen, aber auch gleich daneben ein Geschäftsviertel. Die Kathedrale Saint-Jean-Baptiste hebt sich majestätisch aus der Altstadt hervor. Sie beherbergt eine der ältesten astronomischen Uhren Europas. In Gehweite liegt der Hügel Fourvière, von dem aus man einen ausgezeichneten Blick über die Stadt hat und oben thront die viertürmige Basilika Notre-Dame de Fourvière.
Wieder zurück in der Altstadt wollen wir in der Nähe der Cathédrale Saint-Jean-Baptiste in einem kleinen Restaurant etwas essen. Hier bekommt man mittags ein Menü bestehend aus Brot, einer Flasche Wasser, Wein, dem Hauptgericht und einem Dessert. Die Gerichte auf der Karte sind alle sehr malerisch beschrieben, sodass auch unsere Übersetzungs-App schlapp macht. Wir bestellen also etwas auf gut Glück. Für mich gibt es einen Kuttel-Auflauf. Bereits nach dem ersten Bissen wird mir klar, was ich da bestellt habe und ich bleibe lieber bei den Beilagen … Der Dessert-Crêpe reißt es dann aber wieder raus.
Über den Rhône-Radweg in den Süden
Wir verlassen die Stadt wieder und folgen dem Rhône-Radweg nach Süden. Hier kann man wunderbar ungestört dem Fluss folgen und ist umgeben von einer Menge Grün. Unser nächstes Ziel ist das am Meer gelegene Montpellier.
Unterwegs treffen wir auf einen älteren Mann, der mit dem E-Bike unterwegs ist. Er begleitet uns ein Stück und führt uns durch sein Dorf. Er erklärt uns auf französisch, dass die Straße, die wir nehmen wollten, gesperrt ist und man durch das Dorf einfach außen herum fahren kann. Stolz erzählt er, dass er schon 80 Jahre alt ist und oft Fahrrad fährt, damit er fit bleiben kann.
Ein bisschen Strand in Montpellier
In Montpellier hat uns der Pollenflug eingeholt. Unser Hotel liegt am Stadtrand und im Foyer fliegen dicke Pollenbüschel umher. Mit dem Bus kommen wir unkompliziert in die Stadt. Diese ist recht überschaubar und der entspannte Flair des Meeres liegt über dem Place de la Comédie, dem großen Hauptplatz von Montpellier. Wir entdecken enge Gassen und bewachsene Innenhöfe. Alles ganz nett, aber für einen längeren Aufenthalt kann es uns nicht packen. Dafür fahren wir dann an den Strand und genießen es zum ersten Mal auf dieser Reise, am Meer angekommen zu sein. Das Wasser ist zwar noch viel zu kalt (und das wird sich während der Reise auch nicht ändern) aber das Rauschen des Ozeans ist einfach schön.
Um aus Montpellier heraus zu fahren, geht es einen Weg an einer Lagune entlang. Wir haben Gesellschaft von Möwen und auch von Flamingos, die merkwürdig deplatziert wirken. Nach einiger Zeit werden am Horizont die Pyrenäen sichtbar und wir erreichen die Grenze zu Spanien.
Angekommen in Spanien
Die Unterschiede in Spanien lassen nicht lange auf sich warten. Es ist deutlich steiler zu fahren, als die meiste Zeit in Frankreich, lässt sich aber noch aushalten. Auf den Landstraßen warten leicht bekleidete Damen neben ihren Plastikstühlen auf Kundschaft.
Unser erster spanischer Campingplatz liegt auf einem Hügel, von dem aus man die Landschaft genießen kann. Wir haben eine kleine Unterhaltung mit einem Holländischen Camper, der früher auch weite Strecken mit dem Rad gefahren ist. Heute geht das aber nicht mehr, weil seine Knie kaputt sind.
Enttäuschung in Barcelona
Wir fahren über das Industrie-Gebiet nach Barcelona hinein. Meine Erwartungen an diese Stadt sind sehr hoch, da ich ein großer Fan von Antoni Gaudís Stil bin und mich schon lange darauf freue, die Bauten in echt sehen zu dürfen.
Abgesehen von dem überall vorhandenen Kanalgeruch haben es die Eintrittspreise echt in sich. Ein Ticket für die Sagrada Familia kostet 17€ und für die Casa Battlo wären sogar 25€ fällig gewesen und das in der Nebensaison … Nein danke.
Wir bestaunen die Bauten nur von außen und so richtig voll mit Touristen ist es nicht, aber trotzdem fühlt es sich gehetzt und unruhig an. Etwas im Norden gelegen besuchen wir noch den Parc del Laberint d’Horta. Dies ist der älteste Park der Stadt und man findet hier nicht nur neoarabische Einflüsse, sondern auch noch – wie der Name schon sagt – einen Irrgarten aus Hecken. Dieser ist sogar einer der ältesten noch erhaltenen Hecken-Irrgärten Europas. Hier begegnen uns nur wenige andere Menschen. Wer also dem Trubel der Stadt entfliehen möchte, der ist hier genau richtig.
Ein nass-kalter Tag auf unserer Radtour
Als wir die Stadt verlassen schüttet es wie aus Kübeln und es dauert nicht lange, bis wir durchnässt sind. Das gehört auch zum Radeln, nass werden und weiter fahren. Bleibt man stehen, kühlt man schnell aus und so richtig warm wird einem auch nicht mehr. Zumindest geht’s mir da so. Der Regen peitscht uns ins Gesicht und macht das Fahren unangenehm. Das ist dann also das richtige Abenteuer-Feeling. Als wir abends endlich an einem Campingplatz ankommen, haben wir keine Lust, unser Zelt aufzubauen. Wir mieten ein Bungalow und versuchen uns dort wieder aufzuwärmen und unsere Sachen zu trocknen.
Am nächsten Tag gibt uns der Wetterbericht nur wenig Hoffnung und wir verlängern nochmal um eine Nacht. Bis auf einen kurzen Spaziergang zum Strand während einer Regenpause treibt uns nichts nach draußen und wir hocken auf unserer Couch, lesen Bücher oder langweilen uns vorm Fernseher. Als es am nächsten Tag besser wird, sind wir heilfroh, endlich aus diesem „Ein-Zimmer-Gefängnis“ auszubrechen.
Der Weg führt uns durch Tarragona und anders als noch in Barcelona könnte ich mir hier vorstellen, länger zu bleiben. Bei der Durchfahrt sehen wir einige historische Gebäude, schön angelegte Gärten und viele gut gelaunte Menschen, die die Sonne genießen.
Orangen und Quallen in Valencia
Die Orangenbäume nehmen zu und uns begleitet stets der süße Duft der Zitrusfrüchte. Für mich als absoluter Orangen-Fan ein Traum! Der Übergang zur Stadt fällt kaum auf, denn auch in Valencia findet man an einigen Ecken die gut bestückten Obstbäume. Diese Orangen sollte man aber besser nicht essen.
Valencia gehört zu einem meiner Highlights auf unserer Radreise. Mitten in der Stadt stehen an einigen Ecken Orangenbäume, es wirkt leicht schmutzig, aber dann doch wieder sauber. Ein Mediterraner Flair umgibt diese Stadt und zieht einem sofort in den Bann. Wir haben das Glück, dass wir ein super helles und Geräumiges Doppelzimmer in einem Hostel bekommen und der Hostel-Opa erzählt uns alles mögliche über die Stadt. Eine super Gelegenheit, um unser Spanisch zu üben.
Valencia hat einiges zu bieten und da wir hier zwei Tage verbringen, wollen wir das auch nutzen. Neben den üblichen Stadtbesichtigungen wollen wir unbedingt dem Oceanografic einen Besuch abstatten. Das ist das größte Aquarium Europas und befindet sich in der Stadt der Künste und Wissenschaften in Valencia.
Die vielen Fische und Quallen sind wunderschön und wir verbringen den halben Tag hier. Die Stadt ist auch die Heimat der Paella, deswegen ist ein Besuch in einem der beliebten Strand-Restaurants obligatorisch.
Wohin geht es weiter?
Valencia zählt zu den schönsten Städten, die wir auf unserer Reise besucht haben. Weiter geht es durch die Mancha und schließlich ein Stück durch die Berge nach Granada, dem größten Juwel unserer Reise. Danach kommen wir durch Malaga wieder an die Küste. Weiter geht es zu unserem Zielort Tarifa. Endlich angekommen unternehmen wir noch einen Tagesausflug ins marokkanische Tanger und wollen danach über Cadiz nach Sevilla, von wo aus unser Flug mit den Fahrrädern nach Hause startet. Damit endet unsere zweimonatige Auszeit und eine sehr abwechslungsreiche und auch für mich ungewöhnliche Reise, bei der man sich mehr mit sich selbst beschäftigt, als man zunächst annehmen würde.
Über die restlichen Stationen unserer Reise und ein Fazit könnt ihr dann im nächsten Blogartikel lesen.
Den Ersten Teil der Reihe findet ihr HIER
7 Kommentare
Das wäre auch was für mich,Zeit habe ich jede Menge bin in Ruhestand
Hallo Alwin,
das klingt doch gut! Ich fand die Strecke sehr angenehm und gut zu fahren.
Liebe Grüße
Silvia
Danke für deinen schönen Bericht. Habe vor von Trier nach Tarifa zu fahren, allerdings auf Wanderwege. Buen camino! Roberto
Hallo Roberto,
schön, dass Dir mein Bericht gefallen hat! 🙂
Liebe Grüße
Silvia
Hallo Silvia,
ich habe gerade deinen Bericht gefunden und verschlungen. Wir haben das gleiche Ziel. Zumindest bis Guardamar. Aber wir möchten mit Anhänger und Hund fahren. Wo finde ich denn deinen letzten Teil vom Bericht?
Wie war das Übernachten zwischen den Campingplätzen?
LG
Marion
Hallo liebe Marion,
danke für deinen tollen Kommentar und sehr cool, dass du in die selbe Richtung unterwegs bist! 🙂
Der dritte Teil meines Berichts ist hier: https://www.abenteuerzeilen.de/radreise-nach-spanien-andalusien/
Bei unserer Tour hat es immer ganz gut gepasst mit den Etappenlängen, sodass wir immer auf einem Campingplatz übernachten konnten. Wir haben morgens bei unserem Ziel-Platz angerufen aber zu der Zeit in der wir unterwegs waren, gab es auch keine Probleme auf den Plätzen. 🙂 Dadurch dass wir immer tageweise entschieden haben, wie weit wir fahren wollen, ging die Organisation auch ganz gut, zumal es in Spanien auch sehr viele Campingplätze gibt.
Ich hoffe das hilft dir weiter, wenn du noch andere Fragen hast, melde dich gerne!
Liebe Grüße
Silvia
Liebe Silvia,
danke für deinen Beitrag, er hat mir sehr gut gefallen.
@ Roberto, was für ein Zufall, ich möchte von Trier nach Granada fahren.
Saludos Annabell